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19.12.2018

„Eine schöne Bescherung“

In diesen Tagen feiert die Bundesregierung ihr erstes Amtsjahr ab. Während der Boulevard jubelt, nehmen die kritischen Stimmen in der Bevölkerung, bei seriösen Kommentatoren und auch innerhalb der ÖVP und FPÖ zu. Alles in allem herrscht jedoch der Eindruck, die Österreicherinnen und Österreicher schauen noch erstaunt zu.  

Weninger: Obwohl die schwarz-blaue Regierung erst seit einem Jahr im Amt ist können Konzern-Kanzler Kurz und sein Vize Strache bereits ein beeindruckendes „Sündenregister“ vorweisen. Unter dem Vorwand „Neues zu bieten“ gibt’s Milliarden-Steuergeschenke für ihre Großspender und Konzerne ohne Rücksicht auf ArbeitnehmerInnen, Klein- und Mittelbetriebe und Familien. Länger arbeiten, Überstundenzuschläge einsparen, krank-sein bestrafen und gleichzeitig bei der Kinderbetreuung, den Schulen und im Gesundheitswesen radikal zu kürzen wird eiskalt durchgezogen. Und die neuen Freunde unserer Regierung von Orban über Putin bis hin zu den europäischen Rechtspopulisten sind auch kein Renommee für unser Land. Die SPÖ hat sich immer für die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen eingesetzt und den Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen gesucht. Kurz und Strache legen aber keinen Wert auf eine konstruktive Zusammenarbeit und hoffen auf den Erfolg ihrer öffentlichen Selbstdarstellung. Es ist jedoch zu hoffen, dass die BürgerInnen schon sehr bald die unsozialen Maßnahmen der Regierung, wie Zwölfstunden-Arbeitstag, Kürzungen bei der Kinderbetreuung und im Sozialsystem und die Rückschritte bei der Bildung erkennen und ablehnen werden.

Wie kann es in einer modernen Gesellschaft dazu kommen, dass sogenannte "Gutmenschen" schlecht dargestellt, Geringverdiener als Sozialschmarotzer denunziert werden und der gesellschaftliche Zusammenhalt zu bröseln beginnt? Stehen wir diesen Entwicklungen wirklich so machtlos gegenüber, wie es den Anschein hat?

Weninger: Machtlos ist man in einer Demokratie nie! Es gibt Wahlen, zivilen Protest und (unabhängige) Medien. Nur schimpfen oder sich zurückzuziehen nützt jedoch nichts. Jetzt ist es an der Zeit sich zu engagieren – auch in der SPÖ. Ich glaube noch immer, dass die „Gutmenschen“ in der Mehrzahl sind – ob in der Gewerkschaft, in den Pfarrgemeinderäten oder in vielen Vereinen. Rechtspopulisten haben jedoch einfache Slogans, die zugegebener Maßen auch ankommen. Das einzige was der ÖVP zur dringend notwendigen Bildungsreform einfällt ist die Rückkehr zum antiquierten Schulnotensystem, sitzen bleiben und die Wiedereinführung des alten B-Zugs – öffentlich diskutiert wird aber nur über Kopftücher. Die angebliche Familienpartei bestraft mit dem neuen Familienbonus österreichische Familien und Alleinerzieherinnen mit mehreren Kindern – diskutiert wird jedoch die Kinderbeihilfe für im Ausland lebende Kinder unserer Pflegerinnen, Krankenschwestern und andere dringend benötigte Fachkräfte. Die FPÖ leugnet den Klimawandel und diskutiert über ein paar Kilometer Tempo 140 km/h auf den Autobahnen. Die Liste der Nebelgranaten könnte ich endlos fortsetzen. Solange es Menschen gibt, die ihre eigenen Sorgen und Ängste damit beruhigen, dass es andere trifft funktioniert diese Strategie. Historische Erfahrungen dazu haben wir ja historisch leidvoll erfahren und sehen wir aktuell in vielen Ländern.

Die Briten wissen nicht, ob sie in der EU bleiben wollen oder nicht. Die USA sind völlig von der Rolle und Europa tritt auf der Weltbühne kaum in Erscheinung. Es scheint derzeit alles ein wenig unrund zu laufen.

Weninger: Leider ist unsere rechtspopulistische Regierung kein Einzelfall. Nach einer langen Phase des Miteinanders scheint aktuell die Losung „Jeder gegen jeden“ in zu sein. Dass wird sich aber nicht ausgehen mit „USA first“, „Russia first“, „Hungary first“ usw. Wenn´s lauter Erste geben soll, werden das die vielen Zweiten nicht mögen. Ich bin daher grundsätzlich optimistisch. Die ÖVP wird sich die täglichen rechten Rülpser der FPÖ nicht ewig gefallen lassen können und die FPÖ sich nicht ewig von Kurz über den Tisch ziehen lassen. Es geht aber um etwas viel größeres. Deshalb ist auch die Wahl zum Europäischen Parlament im kommenden Mai so wichtig. Denn da geht es darum, ob wir am gemeinsamen Haus Europa weiterbauen oder ob wir wieder Grenzen aufziehen, zu nationalen Währungen zurückkehren und uns wieder einigeln. Die wirklich wichtigen politischen, wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft können nur gemeinsam angegangen und gelöst werden. Mit Angst, Vorurteilen und Ellenbogen kann man zwar kurzfristig Politik machen, aber weitergebracht haben uns immer nur Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität.

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