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15.02.2021

12. Februar 1934

Gedenken bedeutet, heute richtig zu handeln!

Weninger: Demokratie schützen! Menschenrechte achten!

Unsicherheit und Ungewissheit, soziale und wirtschaftliche Sorgen und Zukunftsängste sind der Nährboden, auf dem demokratie- und menschenfeindlichen Ideologien wachsen und gedeihen. Deshalb dient unser Gedenken an den Februar 1934 auch zur Orientierung in der Gegenwart. Denn eine offene und gerechte Gesellschaft, in der wir frei von Furcht und Not leben, ist das beste Rezept für eine solidarische Gesellschaft, in der niemand mehr die Demokratie mit der Waffe verteidigen muss.

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Der 12. Februar 1934 war ein schwarzer Tag in der Geschichte Österreichs. Er markierte den Beginn der Februarkämpfe, dem Verbot der Sozialdemokratie in Österreich durch das austrofaschistische Dollfuß-Regime und ebnete den Weg zum Nationalsozialismus.

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"Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich."

Am 12. Februar gedenken wir jenen Menschen, die sich zuerst in Europa dem Faschismus aktiv entgegengestellt haben. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten müssen, gemäß dem Leitsatz „Niemals vergessen!“, alles daransetzen, dass es für alle Menschen in unserem Lande möglich ist, in Frieden und ohne Hass zu leben. Die erschreckende und beschämende Tatsache, dass rechtsextreme und faschistische Tendenzen noch immer gesellschaftsfähig sind, werden wir nicht hinnehmen. Deshalb gilt es gerade in aktuellen Krisenzeiten die demokratischen Grund- und Freiheitsrechte zu sichern, Fake-News und skurrilen Verschwörungstheorien die Stirn zu bieten und für Frieden, soziale Sicherheit und Menschenrechte uneingeschränkt einzutreten. "Es gilt den Anfängen zu wehren!"

Am 12. Februar jährt sich der Ausbruch des Bürgerkriegs in Österreich. Die Erste Republik war geprägt von politischen Spannungen und sozialer Not, die junge Demokratie nicht von allen anerkannt.

Am 12. Februar wird jener Menschen gedacht, die sich 1934 dem Aufstieg des Faschismus in Österreich zur Wehr setzten – als erste in Europa. Jener, die ihre Überzeugung über ihr eigenes Schicksal stellten und dabei ihr Leben ließen. Doch dieses Gedenken ist nur ehrlich und glaubwürdig, wenn wir uns auch kritisch mit der Gegenwart auseinandersetzen und den Mut haben, Parallelen anzusprechen.

Kein Februarkämpfer und keine Februarkämpferin darf ein „Opfer verlorener Zeiten“ sein. Wir dürfen den 12. Februar nicht nur als Beginn des Bürgerkrieges betrachten, wir müssen auch fragen, wie es dazu kommen konnte, dass Menschen mit der Waffe in der Hand die Demokratie verteidigen mussten.

ÖSTERREICH WURDEN SPARMASSNAHMEN AUFGEZWUNGE

Österreich war nach dem Ersten Weltkrieg gespalten. Die Konservativen stimmten vor allem aus Angst vor einem Aufstand der Arbeiterinnen und Arbeiter für eine demokratische Republik. Als 1920 die Christlichsozialen die Wahlen gewannen und die Wirtschaftskrise Österreich traf, sagten sie den sozialen Errungenschaften den Kampf an.

Davon war vor allem die arbeitende Bevölkerung betroffen. Die stetig sinkenden Löhne sowie der Abbau vieler Sozialleistungen wie die reduzierte Arbeitslosenunterstützung bremsten die Nachfrage und verstärkten so die Rezession.

Geschuldet waren diese Maßnahmen auch der Austeritätspolitik, also dem Sparkurs des Völkerbundes. Österreich wurden im Zuge der Völkerbundanleihen rigide Sparmaßnahmen aufgezwungen, die eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Krise mit sich brachten. Die Umsetzung dieser Politik wurde auch von Gesandten des Völkerbundes kontrolliert – fernab jeder demokratischen Legitimation.

ANTIDEMOKRATISCHER NÄHRBODEN

Diese Unsicherheit und Ungewissheit im Leben der Einzelnen sowie das Aushebeln demokratischer Strukturen sind der Nährboden, auf dem die demokratie- und menschenfeindlichen Ideologien gedeihen und wachsen konnten.

Heute haben wir die Chance, aus der Geschichte zu lernen. Wir müssen nicht mit der Waffe in der Hand die Demokratie gegen den Faschismus verteidigen – wir können das durch politische Maßnahmen schaffen.

Wir können für die Stabilität sorgen, damit diese Ideen nie wieder Fuß fassen können. Dazu braucht es ein Mehr an Demokratie, ein Mehr an sozialstaatlicher Absicherung, ein Mehr an Arbeitsplätzen und eine klare Ansage gegen einseitige Kürzungs- und Sparpolitik.

REZEPT FÜR EINE SOLIDARISCHE GESELLSCHAFT

Klar ist, das Gedenken an den Februar 1934 dient auch zur Orientierung in der Gegenwart. Denn eine offene und gerechte Gesellschaft, in der wir frei von Furcht und Not leben, ist das beste Rezept für eine solidarische Gesellschaft, in der niemand mehr die Demokratie mit der Waffe verteidigen muss.

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Der Februar 1934 im Raum Mödling

Auch in Mödling kam es im Februar 1934, als die Ereignisse von Linz, Wien, Bruck a.d. Mur usw. bekannt wurden, zu bewaffneten Auseinandersetzungen. Die dramatischen Geschehnisse des Februar 1934 forderten in unserer Region Opfer: Karl Rohata (Wehrturner), Edwin Bernard (Schutzbündler) und der unbeteiligte Josef Hejtmann kamen zu Tode. In Wiener Neudorf erlitt Karl Stuiber einen Beindurchschuss und wurde ins Mödlinger Krankenhaus eingeliefert. Er verlor anschließend seinen Arbeitsplatz. Sämtliche sozialdemokratische Organisationen wurden verboten und aufgelöst und auch in Mödling beschlagnahmte man deren zum Teil beträchtlichen Besitz wie Vereinslokale, Grundstücke, Inventar und die Vereinsgelder.

Mangels wirksamer Nachrichtenmittel wusste man nicht genau Bescheid über die prekäre politische Situation und die Ereignisse bzw. Kämpfe in anderen Städten. Hinzu kam, dass Leopold Petznek bereits am Vortag des 12. Februar bei einer Vorsprache in der Bezirkshauptmannschaft verhaftet wurde. Die Exekutive war offensichtlich auf die Auseinandersetzungen bestens vorbereitet und begann mit einer Verhaftungswelle, der u.a. die Genossen Krikawa, Grünwald und Strebl in Brunn, zwei jugendliche Schutzbündler in Gaaden, Moser und Rascher in Guntramsdorf, sowie die Funktionäre Bauer, HansRehberger, Josef Cermak, Gustav Lischka, Artur Haselrieder, Alois Röss, Franz Schlager, Dr.Moser, Johann Juranitsch, Johanna Hofmann und Hansi Cufar zum Opfer fielen.

Noch in den Abendstunden des 12. Februar wurde das Bezirkssekretariat in die Wohnung von Josef Deutsch d.J. in das benachbarte Konsum-Haus verlegt. Dort berieten die sich noch in Freiheit befindlichen Funktionäre Josef Vogl, Franz Sagmeister, Anton Oswald, JosefDeutsch, Alois Michalik, Wilhelm Rührl, Johann Piplitz, Ferdinand Tschürtz und Josef Hofmann über weitere Maßnahmen. Schutzbündler, Wehrturner und Jungsozialisten wurden - zu deren eigenen Schutz - zur Wohnhausanlage „Fünfhaus“, die von den Gegnern als „Rote Festung Fünfhaus“ bezeichnet wurde, beordert.

Besonders enttäuschend für die Arbeiterschaft war der Umstand, dass kein allgemeiner Generalstreik ausgerufen wurde. Nachrichten über schwere Kämpfe in Wien veranlassten die Mödlinger Kampfleitung am späten Nachmittag des 13. Februar, in der Heimstätte in der Mannagettagasse versteckte Waffen und Munition auszugeben.

Daraufhin verschanzten sich die nunmehr 35 bewaffneten Schutzbündler, Wehrturner und Jungsozialisten wieder in Fünfhaus. Infolge der Verhaftung maßgeblicher Funktionäre, konnte jedoch die Waffenausgabe auch in Mödling nicht lückenlos bewerkstelligt werden. Immerhin waren es aber mehr als 200 Sozialdemokraten und Kommunisten, die versuchten mit der Waffe in der Hand Freiheit, Demokratie und die Rechte der Arbeiterschaft zu verteidigen. Die getroffenen Maßnahmen blieben der Exekutive jedoch nicht lange verborgen, sodass bereits am Abend entlang der Krankenhausmauer in der Payergasse Einheiten, verstärkt durch die Heimwehrler, vorrückten. Um ca. 21 Uhr fiel als erstes Opfer der Wehrturner Karl Rohata, der dort als Vorposten stand.

Um Mitternacht zogen zwei Kompanien des Bundesheeres, die per Bahn aus der Steiermark eingetroffen waren, in das Kloster St. Gabriel ein, von wo aus sie die ganze Nacht lang ein lebhaftes Feuer gegen die Arbeitersiedlung unterhielten. Am folgenden Vormittag, dem 14. Februar, wurden auch Maschinengewehre eingesetzt. In diesem Gewehrfeuer kam in der Siedlung Haydngasse Josef Hejtmann durch Kopfschuss ums Leben. Am gleichen Tag erlitt der Schutzbündler Edwin Bernard bei einem Erkundungsversuch einen Lungensteckschuss, dem er noch am gleichen Tag erlag. Unverständlich ist es noch heute, dass die Ordensleute von St. Gabriel gegen den Missbrauch ihrer Anstalt keinerlei Protest erhoben.

Als gerüchteweise bekannt wurde, dass ein Artillerieeinsatz des Bundesheeres bevorstünde, mussten die Widerstandsmaßnahmen eingestellt werden. Um die BewohnerInnen von Fünfhaus, aber auch die PatientInnen des angrenzenden Krankenhauses nicht weiter zu gefährden, wurde Fünfhaus in der folgenden Nacht geräumt. Einzeln ging man auseinander, Waffen und Munition wurden in Sandgruben zurückgelassen, der Weg nach Hause auf verschiedenen Umwegen gesucht.

Den hauptverantwortlichen Funktionären Josef Vogl, Franz Sagmeister und Josef Hofmann, die bereits zur Verhaftung ausgeschrieben waren, gelang über verschiedene Unterschlupfquartiere die Emigration in die Tschechoslowakei. Vogl und Hofmann gingen später in die Sowjetunion, wo sie wie so viele Schutzbündler keineswegs willkommen waren. Hofmann und seine Frau kehrten später nach Österreich zurück, Vogl blieb verschollen. Als Sagmeister nach einer verkündeten Amnestie zurückkehrte, wurde er trotzdem zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Abschließend darf zu den Februar- Kämpfen gesagt werden, dass sich die Gendarmerie großteils korrekt benahm, die Heimwehr-Einheiten sich teilweise jedoch brutal und furchtbar austobten. Wehrlose Männer, Frauen und Kinder wurden in den eiskalten Nächten auf die Straße getrieben, um deren Wohnungen in Fünfhaus und in der Kolonie durchwühlen und plündern zu können.

Viele bekannte Funktionäre der Partei wurden verhaftet und vorübergehend im Keller des Freihofes in der Keimgasse festgehalten. Weitere Verhaftete wurden nach scharfen Verhören auch im Enzenbrunnerkeller, in der Feuerwehrremise und im Bezirksgericht Liesing festgehalten und andere an das Landesgericht Wien überstellt. Sie wurden wegen "Aufruhr und Widerstand gegen die Staatsgewalt" zu mehr oder minder schweren Kerkerstrafen verurteilt. Wie aus Gerichtsakten hervorgeht, waren unter den Verurteilten Franz Fröhlich, Johann Hnat, Wilhelm Rührl, Anton Oswald jun. und Johann Schlöglbauer.

In den Tagen nach den Februar-Kämpfen kam es zum Verbot der SDAP sowie ihrer verschiedenen Körperschaften und Vereine. Das Vereinsvermögen, Inventar, Instrumente, Notenmaterial und Turngeräte wurden konfisziert. Jahrzehntelange oft opfervolle Arbeit der Arbeiterschaft wurde mit einem Schlag vernichtet.

Einen symbolischen Erfolg konnten die Arbeiter jedoch verbuchen. Die Genossen Kala und Steiner nahmen die Fahne des Schutzbunds in Verwahrung und versteckten sie vor der Heimwehr. 1938 war es jedoch zu gefährlich die Fahne weiter zu behalten und so wurde von einem Spengler in Wiener Neudorf eine Blechhülse angefertigt, in der die Fahne gut geschützt vergraben wurde. Als im Jahr 1943 die Flugmotorenwerke errichtet wurden, brachten die Genossen Deutsch und Komarek die Fahne in Sicherheit und vergruben sie dann unter einer Hundehütte, von wo sie erst nach dem Krieg geborgen wurde. Heute ist sie in Verwahrung der SPÖ Stadtorganisation Mödling und wurde 2010 mit Unterstützung der Bezirkspartei und der Freiheitskämpfer professionell restauriert.

Beschämend war die Beisetzung der toten Kämpfer auf dem Mödlinger Friedhof. Die Eingänge waren von Sicherheitsbeamten mit Stahlhelm und aufgepflanztem Bajonett besetzt. Zutritt zur Bestattung erhielten nur die allernächsten Angehörigen, die eine Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft vorweisen mussten. Innerhalb des Friedhofs waren zusätzlich noch Patrouillen der Heimwehr unterwegs.

Für diese Opfer wurde nach dem Zweitem Weltkrieg am Mödlinger Friedhof ein Mahnmal errichtet, bei dem jährlich am 12. Februar feierliche Kranzniederlegungen und Gedenkkundgebungen stattfinden.

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Spätere Amnestierungen führten zu Entlassungen aus der Haft. Die Betroffenen waren jedoch unter behördliche Kontrolle und Meldepflicht gestellt. Außerdem hatten sie kaum die Möglichkeit einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die betroffenen Familien wurden nach Möglichkeit von den "Quäkern" mit Geld- und Sachspenden unterstützt.

Die Verteilung dieser Unterstützungen übernahm Maria Lampl, was später zu ihrer Verhaftung führte. Maria Lampl organisierte auch in den Jahren 1934 – 1937 Kindertransporte nach Türnitz, bis dies nach mehrfachen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmung von Büchern und Schreibmaschine durch die Behörde unmöglich wurde. In diesem Zusammenhang wurde auch ihr Vater als "Mitwisser" verhaftet und an das Bezirksgericht Liesing überstellt. Maria Lampl erlitt in der Haft Erfrierungen an Händen und Füßen und wurde erst zu Beginn des Jahres 1937 entlassen.

Burg, Werner / Weninger, Hannes (2010): Die Geschichte der Arbeiterbewegung im Raum Mödling - Von den Anfängen bis zur Zweiten Republik. Erste Auflage.

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#zeitreise: Die Kälte des Februar 1934

Im September 1929 war in den USA eine Börsenkrise ausgebrochen, die mit ihren Auswirkungen auch auf Europa übergriff. Die junge österreichische Republik wurde von dieser Krise besonders hart getroffen, da ihre Wirtschaft noch im Aufbau und daher äußerst empfindlich war. Die Industrie war zudem äußerst exportabhängig. Im Jahre 1931 griff die Regierung Johann Schober den Plan einer Zollunion mit Deutschland auf, um der drohenden Krise Herr zu werden.

Die Westmächte erhoben Einspruch, da sie in diesem Vorgehen einen Bruch der Genfer Protokolle von 1922 erblickten. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschied mit einer Stimme Mehrheit gegen die Zollunion. Die Westmächte, die selbst in Schwierigkeiten waren, riefen ihre in Österreich kurzfristig angelegten Gelder ab. Dadurch geriet die Creditanstalt, die noch durch die Fusion mit der Bodenkreditanstalt aus dem Jahre 1929 belastet war, in Schwierigkeiten. Auf ihren Zusammenbruch folgte eine Unterstützungsaktion der Regierung, der Nationalbank und des Hauses Rothschild. Die Sanierung der Creditanstalt brachte die österreichischen Staatsfinanzen in Schwierigkeiten. In dieser Situation wandte man sich abermals an den Völkerbund um finanzielle Unterstützung. Die im Jahre 1932 gewährte Anleihe von Lausanne in der Höhe von 300 Millionen Schilling war ähnlich wie die Genfer Protokolle von 1922 an Zugeständnisse gebunden. Dennoch konnte die Wirtschaftskrise nicht gleich überwunden werden. Die indu­strielle Produktion lag im Jahre 1933 um 39,2 Prozent unter dem Stand von 1913. Diese Krise hatte für weite Kreise der Bevölkerung, insbesondere für die Arbeiterschaft verheeren­de Folgen. Die Regierung wälzte alle Sanierungsmaßnah­men rigoros auf die Schultern der Werktätigen ab. Die Arbeitslosigkeit erreichte ihren Höchststand: Rund 600.000 Arbeitslose, von denen nur rund 65 % noch Arbeitslosenunterstützung erhielten; alle anderen waren "ausgesteuert", also ohne staatliche Unterstützung. In fast allen Industriezweigen wurden außerdem Löhne und Gehälter stark gekürzt. Das reale Pro-Kopf-Einkom­men eines Arbeitnehmers lag nur noch knapp über dem Stand des Jahres 1913.

Die Epoche der Zwischenkriegszeit ist in Europa auch die Epoche des Aufstiegs des Faschismus. Bereits am Beginn der Zwanzigerjahre war der italienische Faschismus unter Benito Mussolini als nationale und antimarxistische Strö­mung an die Macht gekommen. In wenigen Jahren gelang es Mussolini, alle anderen Parteien aufzulösen und den faschistischen Einparteienstaat, in dem alle Macht in den faschistischen Einparteien, in dem alle Macht in den Händen des Duce lag, zu schaffen.

In Deutschland vollzog sich der Aufstieg des Faschismus wesentlich langsamer als in Italien. Dies hatte vor allem ökonomische Gründe. Für die deutschen Unternehmer war spätestens ab dem Jahre 1923 die bürgerliche Republik wieder Garant für den Bestand des Kapitalismus. Es gab daher keinen Anlass, die Demokratie zu beseitigen. Eine Demokratie bietet jedoch auch sozialistischen und kommunistischen Kräften Möglichkeiten der Organisation und Artikulation. Mit dem Eintritt in die Weltwirtschaftskrise werden diese antikapitalistischen Kräfte wieder gefährlich.

Die Weltwirtschaftskrise brachte Deutschland am Höhepunkt sechs Millionen Arbeitslose. Wenn man die betroffenen Familien dazurechnet, so wurden etwa 20 Millionen Deutsche ins Elend gestürzt. Als Folge dieser ökonomischen Entwicklung verloren die Parteien der Mitte und der gemäßigten Rechten ihr Wählerpotenzial. Diese Parteien wurden also als Instrumente der herrschenden Klasse wirkungslos. Wie in jeder Krise wanderten die Wähler zu den extremen Parteien der Rechten und Linken ab.

Für das deutsche Kapital war somit eine neue Situation entstanden. Die demokratische Organisation war für sie nicht mehr brauchbar. Man wollte nach anderen Lösungsversuchen Ausschau halten. So verfiel man zuerst auf ein Präsidialsystem. Dieses zeichnet sich besonders dadurch aus, keine Massenbasis zu benötigen. Als auch die Präsidialkabinette die Krise nicht beenden konnten, sahen sich die deutschen Kapitalisten gezwungen, nach einer Lösung mit einer Massenbasis zu suchen.

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, kurz NSDAP genannt, die in den Zwanzigerjahren eine unbeachtete Splittergruppe war, hatte in der Krise bereits ein Drittel der Wählerstimmen in ihr Lager gebracht. So lag der Versuch der Kapitalistenklasse mit Hitler als Juniorpartner nahe, der die Massenbasis in diese Beziehung mitbringen sollte. Man war davon überzeugt, dass nur der Faschismus in der Lage sei, den Kapitalismus am Leben zu halten.

Es gab manchen Berührungspunkt zwischen den Kapitalisten und dem Faschismus. Beide wollten die Abschaffung der freien Wahlen, beide wollten die Ausrottung des Marxismus und das Verbot der Gewerkschaften und beide hatten ähnliche Lösungsvorstellungen im Überwinden der Wirtschaftskrise. So sollte die Wirtschaftskrise vor allem durch das Stagnieren der Löhne auf dem Krisenniveau und durch große Staatsinvestitionen in Rüstungs- und Verkehrswesen überwunden werden. Diese Staatsinvestitionen brachten natürlich ein Ansteigen der Staatsschulden mit sich.

Da aufgrund einer solchen Politik die deutsche Währung jedes Ansehen im Ausland einbüßte, konnte der Ausweg nur in einem neuen Expansionsversuch liegen. Zudem zielte die Rüstungsindustrie von Anfang an auf den Krieg ab. Der Aufstieg des Faschismus wies also direkt auf den Zweiten Weltkrieg hin.

Alle europäischen Länder hatten in der Zwischenkriegszeit faschistische Bewegungen hervorgebracht. Den faschistischen Bewegungen sind fünf Merkmale gemeinsam:

1. Der Terror gegen jede Form der Opposition.

2. Eine hohe Massenunterstützung und der Versuch, die Massen zu aktivieren. So zeigt etwa in Deutschland die NSDAP eine straffe Durchorganisierung bis in die Wohnhäuser und eine Reglementierung der Freizeit (KdFHJBDM).

3. Eine Ideologie mit antikapitalistischen Ansätzen, die ihr das Eindringen in die Arbeiterklasse und das deklassierte Kleinbürgertum erlaubt und ermöglicht.

4. Die prinzipielle Gegnerschaft zum internationalen Marxismus und die starke nationale Komponente.

5. Der Antiparlamentarismus und das Führerprinzip.

Nach dieser Aufstellung fällt auf, dass etwa der Rassismus kein gemeinsames Merkmal der faschistischen Bewegungen darstellte, wie uns etwa das Beispiel des italienischen Faschismus beweist, der erst in seiner Spätphase den Antisemitismus des deutschen Nationalsozialismus übernahm. Auch ist festzustellen, dass sich der klassische Faschismus mit seiner Massenbasis deutlich von den Militärdiktaturen der Gegenwart unterscheidet.

Da der Faschismus eine extrem nationale Richtung war, gab es in jedem Land nur eine faschistische Partei. Die einzige Ausnahme bildete Österreich. In Österreich, das am Schnittpunkt des deutschen und italienischen Einflussbereichs in Europa lag, hatten sich auch verschiedene Formen des Faschismus herausentwickelt. Auf der einen Seite gab es die illegale NSDAP, die sich am deutschen Vorbild orientierte, auf der anderen Seite gerieten die Heimwehren immer mehr unter den Einfluss des italienischen Faschismus. Dadurch war auch die Regierung zusehends von Italien abhängig geworden, die allerdings den Versuch unternahm eine dritte, eigenständige Form des Faschismus herauszubilden.

Am 1. März 1933 hatte ein Proteststreik der Eisenbahner gegen die in drei Raten zu erfolgender Gehaltsauszahlung stattgefunden. Am 4. März verlangten die Sozialdemokraten die Einberufung einer außerordentlichen Nationalratssitzung (sogenannte "Selbstausschaltung des Parlaments"), um über die Amnestie aller Teilnehmer des Eisenbah­nerstreiks zu verhandeln. Ein von den Großdeutschen, die nicht mehr der Regierung angehörten, eingebrachter Antrag im Interesse der Eisenbahner brachte das überraschende Ergebnis von 81 zu 80 für diesen Antrag. Nach einer Unterbrechung der Sitzung wurde allerdings festgestellt, dass zwei Stimmzettel auf den Namen des Sozialdemokraten Simon Abram, dafür keiner auf den Namen des Abgeordneten Wilhelm Scheibein abgegeben worden waren. Die beiden Abgeordneten saßen nebeneinander. In der Pultlade jedes Abgeordneten lagen auf seinen Namen vorgedruckte Stimmzettel mit „Ja" bzw. "Nein". Da beide Abgeordneten Sozialdemokraten waren und Scheibein sich offenbar in der Lade vergriffen hatte, erklärte der Präsident Dr. Renner, dass keine Korrektur des Abstimmungsergebnisses notwendig sei.

Im anschließenden Tumult legte Dr. Renner den Vorsitz nieder. Dr. Ramed, der zweite Präsident und Mitglied der Christlichsozialen Partei, demissionierte ebenfalls, um bei einer Abstimmungs­wiederholung seiner Partei die Stimme zu erhalten. Der dritte Präsident, der Großdeutsche Dr. Straffner, demissionierte ebenfalls, ohne dass er die Sitzung offiziell und formal geschlossen hatte. Das Parlament hatte somit keinen Präsidenten, der die Sitzung schließen und eine neue Sitzung einberufen konnte. Diesen Umstand nutzte Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß aus, um in Hinkunft ohne Parlament regieren zu können. Als Grundlage für ihre Arbeit verwendete die Regierung das sogenannte „Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz" aus dem Jahre 1917. Die Regierung demissionierte zwar am 7. März, wurde jedoch am gleichen Tag von Bundespräsident Wilhelm Miklas wiederum bestellt. Aus der demokratischen war eine „autoritäre" Regierung geworden. Aufgrund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes erfolgte die Einschränkung der Pressefreiheit, Zeitungen wurden unter Vorzensur gestellt. Damit konform ging ein generelles Verbot öffentlicher Versammlungen und Aufmärsche.

Dollfuß - Von der Republik zum Ständestaat

Dr. Straffner, der zuletzt zurückgetretene Präsident des Nationalrates, berief für den 15. Marz 1933 eine National­ratssitzung ein. Dollfuß ließ mitteilen, er werde jeden Ver­such einer Parlamentstagung mit Gewalt verhindern. Da sich die Polizei im Parlament aufhielt eröffnete Straffner die Sitzung bereits um 14.30 Uhr anstatt wie angekündigt um 15 Uhr und schloss die Sitzung nach wenigen Worten wieder. Die Regierungsparteien waren der Sitzung ferngeblieben, aber auch einzelne Abgeordnete der Opposition konnten an dieser Sitzung nicht teilnehmen, da ihnen der Eintritt in das Parlamentsgebäude von der Polizei verwehrt worden war. Von der Regierung wurde mitgeteilt, dass diese Nationalratssitzung nur Privatcharakter gehabt hatte. Außerdem wurden 1500 bewaffnete Heimwehrmänner in der Wiener Innenstadt zusammengezogen. Am 16. März wurde der Republikanische Schutzbund in Tirol nach der Anerkennung der Heimwehr als Notpolizei für dieses Bundesland aufgelöst. Am 17. März legte der Bundesrat über Antrag der Sozialdemokraten gegen das Vorgehen der Regierung Verwahrung ein und ersuchte den Bundespräsidenten, die Regierung zu entlassen. Bundespräsident Miklas stellte sich jedoch auf den Standpunkt der Regierung. Am 22. März fasste die Wiener Landesregierung den Beschluss, mehrere Regierungsverordnungen, die seit dem 7. März erlassen worden waren, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Im Mai traten jedoch die von der Christlichsozialen Partei bestellten Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes zurück und legten so die Tätigkeit dieses obersten Gerichtshofes lahm.

Am 24. März 1933 verhängte die Regierung die Vorzensur über die Arbeiter-Zeitung und über das „Kleine Blatt" aufgrund der Presseverordnung vom 7. März 1933. Am Folgetag antworteten die Wiener Druckereiarbeiter mit einem 24-stündigen Streik.

Am 31. März 1933 folgten die Auflösung und das Verbot jeder Tätigkeit des Republikanischen Schutzbundes im gan­zen Bundesgebiet durch den Bundeskanzler. Dieses Verbot bot der Exekutive Gelegenheit, in den Folgemonaten Waffensuchen in Arbeiterheimen vorzunehmen. Am 26. Mai wurde die Kommunistische Partei Österreichs verboten und am 29. Juni, nach einem Handgranatenüberfall auf „Christlich-deutsche Turner" in Krems, die NSDAP und ihre Wehrformationen. Am 23. September 1933 errichtete die Regierung Dollfuß in Wöllersdorf ein Anhaltelager (Anhaltelager Wöllersdorf).

Der außerordentliche Parteitag der Sozialdemokratie, der im Oktober 1933 400 Delegierte vereinte, war der letzte Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Auf ihm wurden die sogenannten „Vier Punkte" (Aufhebung der Rechte Wiens, Angriff auf die Gewerkschaft, Auflösung der Partei, Oktroyieren einer faschistischen Verfassung) formuliert, die für die Arbei­terklasse einen Anlass zum äußersten Widerstand bilden würden. 

Am Montag, dem 12. Februar 1934, begann im Linzer „Hotel Schiff", Landstraße 36, die Polizei um 6.30 Uhr mit einer Waffensuche im sozialdemokratischen Parteiheim. Die anwesenden Schutzbündler setzten sich zur Wehr, nachdem Richard Bernaschek, der Kommandant des oberösterreichischen Schutzbundes und stellvertretende Landesparteisekretär, das Signal zum Widerstand gegeben hatte. Noch in der Nacht vom 11. zum 12. Februar hatte die Wiener Parteileitung vergebens versucht, Bernaschek von diesem Vorgehen abzuraten. Der Linzer Schutzbundführer wurde zu Beginn verhaftet, es gelang ihm aber noch, die Generalstreik- und Kampflosung telefonisch weiterzugeben. Die Schutzbündler im „Hotel Schiff" leisteten bis in die Mittagszeit auch gegen das Bundesheer tapferen Widerstand. Inzwischen hatten die Kampfhandlungen ganz Linz erfasst.

In Wien, wo man von den Vorgängen in Linz Kenntnis erhalten hatte, veranlassten am späten Vormittag die Arbeiter der Gas-­ und E-Werke sowie die Straßenbahner mit ihrem Streik die ersten Kampfhandlungen. Die Schutzbündler sammelten sich um die Mittagszeit, und die Bezirke Simmering, Land­straße, Ottakring, Margareten und Döbling wurden die ersten Zentren des bewaffneten Kampfes. Aber nicht nur in Wien und in Linz, sondern auch in Graz, Bruck, Kapfenberg, Steyr, Attnang-Puchheim, Wolfsegg und anderen Orten kam es zu Kampfhandlungen. Bis Mittwoch, den 14. Februar, hatte es den Anschein, als würden sich die Kämpfe nur noch auf Wien konzentrieren. Die Verhängung und Vollstreckung der ersten standgerichtlichen Todesurteile gegen Führer der Sozialdemokratie, unter ihnen Ing. Georg Weissel und Karl Münichreiter, erschütterten die Arbeiterschaft und die Weltöffentlichkeit.

Am Donnerstag, dem 15. Februar, flackerten die Kämpfe auch in Oberösterreich ein letztes Mal kurz auf. Es gelang den Schutzbündlern, für mehrere Stunden ganz Ebensee zu besetzen. Der Morgen des 16. Februar sah das endgültige Ende der Kampfhandlungen. Der Blutzoll dieser Kämpfe war auf beiden Seiten groß.

Die Exekutive und das Bundesheer beklagten zusammen 115 Tote und 486 Verwundete. Die Zahlen, die über getötete und verwundete Schutzbündler bekannt sind, sind mangelhafter, da natürlich versucht wurde, die Tatsache der Teilnahme an den Kämpfen zu verschleiern, um einer Verhaftung zu entgehen. Aber die Regierungspresse nannte 196 Tote und 319 Verwundete. Die tatsächlichen Zahlen dürften entsprechend höher liegen. Eingekerkert wurden in den Tagen nach den Kämpfen etwa 1200 Schutzbündler. Einer großen Zahl von Schutzbündlern und sozialdemokratischen Funktionären, unter ihnen Otto Bauer und Julius Deutsch, gelang die Flucht ins Ausland, vornehmlich in die Tschechoslowakei. Für mehr als ein Jahrzehnt bedeuteten diese Februarkämpfe den Schlusspunkt unter die legale Arbeiterbewegung in Österreich.

Lesetipp:

rotbewegt: 12. Februar 1934 - Bürgerkrieg in Österreich

 

Literaturhinweise:

1929 - Die Krise (Video)

Österreichische Mediathek: Akustische Chronik 1933

Demokratiezentrum Wien: Der autoritäre "Ständestaat" / Austrofaschismus 1933-1938

Parlamentsdirektion: Staats- und Verfassungskrise 1933

Politlexikon für junge Leute: Faschismus

zeitgeschichte-wn.at: Das Anhaltelager Wöllersdorf

DÖW: Anhaltelager Wöllersdorf

Forum OÖ Geschichte: Richard Bernaschek

Kurzbiografien: Karl MünichreiterGeorg WeisselEmil SwobodaJosef StanekJosef AhrerKoloman WallischAnton BulgarJosef Gerl

Josef Hindels: Der Weg zum Februar 1934 und So starb ein junger Sozialist

Gesellschaft für Kulturpolitik: Februar 1934

Renner-Institut: Frauen in den Februarkämpfen 1934

Georg Weissel leben und sterben für die Freiheit

Koloman Wallisch: Das Leben und Sterben eines Revolutionärs

Helmut Konrad: Der Februar 1934 im historischen Gedächtnis

Hannes Weninger: Februar 1934

Burg, Werner / Weninger, Hannes (2010): Der Februar 1934 im Raum Mödling

Wien Geschichte: Februar 1934

Republikanischer Klub: Jura Soyfer und der Februar 1934

rotbewegt: 12. Februar 1934 - Bürgerkrieg in Österreich

Jahoda-Bauer Institut: 12. Februar 1934

Jahoda-Bauer Institut: Unterrichtsmaterialien

rotbewegt: Der Republikanische Schutzbund

Videos

ORF: Doku & Reportage | zeit.geschichte „Der blutige Februar 1934“

rotbewegt: 12. Februar 1934: Eine Dokumentation der Ereignisse

SPÖ/Wiener Bildung: 80 Jahre 12. Februar 1934 - NIEMALS VERGESSEN

SPÖ Oberösterreich: 12. Februar 1934 - Vorgeschichte