Hauptinhalt

16.01.2019

130 Jahre Sozialdemokratie

Weninger: 130 Jahre SPÖ- Es begann in Hainfeld

Der sogenannte Einigungsparteitag, der vom 30. Dezember 1888 bis zum 1. Januar 1889 im niederösterreichischen Hainfeld stattfand, gilt als die Geburtsstunde der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs. Dem Arzt und Journalisten Victor Adler ist es gelungen, den reformistischen und der revolutionären Flügel der jungen österreichischen Arbeiterbewegung zu einen und auf ein gemeinsames Programm festzulegen. In der Prinzipienerklärung von Hainfeld bekennt sich die österreichische Sozialdemokratie zu Internationalismus, Presse- und Meinungsfreiheit, Parlamentarismus, Arbeiterschutzgesetzgebung, Bildung und Laizismus.

Die Sozialdemokratie hat in den 130 Jahren ihres Bestehens die Lebensbedingungen eines Großteils der Bevölkerung um so viel verbessert, wie keine andere gesellschaftliche Bewegung zuvor. Dass in dieser historisch kurzen Zeitspanne aus ausgebeuteten  und rechtlosen Arbeitern selbstbewusste Arbeitnehmern wurden, ist heute für viele Menschen genauso eine Selbstverständlichkeit wie Urlaubs- und Pensionsanspruch, Gesundheitsversorgung und Bildung für alle. Nichts davon wurde aber den Arbeitern geschenkt, sondern jede einzelne Errungenschaft musste und muss bis heute von der SPÖ und der Gewerkschaft erkämpft werden.

„Unsere Großeltern haben von bescheidenen Wohlstand und einer Zeit ohne Krieg geträumt und dafür gekämpft!“

Für die Zukunft der SPÖ wünsche ich mir eine klare Positionierung. Wir stehen für Demokratie, soziale Gerechtigkeit und eine solidarische Gesellschaft. Versuche, es allen Leuten Recht zu machen und sich am Zeitgeist zu orientieren, passen nicht zu uns. Für einfache Antworten auf komplexe Fragen, gibt es leider genug Populisten auf der rechten Seite des politischen Spektrums. Wie schnell von Kurz und Strache zum Beispiel der 12 Stunden-Arbeitstag durchgeboxt wurde und wie die EU als großes Friedensprojekt attackiert wird, zeigt wie wichtig die Sozialdemokratie heute und in Zukunft ist.

Dass die SPÖ heute als etablierte Staatspartei wahrgenommen wird und nicht mehr als kritische Protestbewegung, sollte uns zu denken geben. Um gehört zu muss man halt auch manchmal laut werden und die noble Zurückhaltung hintanstellen.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Prinzipienerklärung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs („Hainfelder-Programm“ 1888/1889 und die „Einigungs-Resolution“)

I. Prinzipienerklärung
Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich erstrebt für das gesamte Volk ohne Unterschied der Nation, der Rasse und des Geschlechtes die Befreiung aus den Fesseln der ökonomischen Abhängigkeit, die Beseitigung der politischen Rechtlosigkeit und die Erhebung aus der geistigen Verkümmerung.

Die Ursache dieses unwürdigen Zustandes ist nicht in einzelnen politischen Einrichtungen zu suchen, sondern in der das Wesen des ganzen Gesellschaftszustandes bedingenden und beherrschenden Tatsache, daß die Arbeitsmittel in den Händen einzelner Besitzender monopolisiert sind.

Der Besitzer der Arbeitskraft, die Arbeiterklasse, wird dadurch zum Sklaven der Besitzer der Arbeitsmittel, der Kapitalistenklasse, deren politische und ökonomische Herrschaft im heutigen Staate Ausdruck findet. Der Einzelbesitz an Produktionsmitteln, wie er also politisch den Klassenstaat bedeutet, bedeutet ökonomisch steigende Massenarmut und wachsende Verelendung immer breiterer Volksschichten.

Durch die technische Entwicklung, das kolossale Anwachsen der Produktivkräfte erweist sich diese Form des Besitzes nicht nur als überflüssig, sondern es wird auch tatsächlich diese Form für die überwiegende Mehrheit des Volkes beseitigt, während gleichzeitig für die Form des gemeinsamen Besitzes die notwendigen geistigen und materiellen Vorbedingungen geschaffen werden.

Der Übergang der Arbeitsmittel in den gemeinschaftlichen Besitz der Gesamtheit des arbeitenden Volkes bedeutet also nicht nur die Befreiung der Arbeiterklasse, sondern auch die Erfüllung einer geschichtlich notwendigen Entwicklung. Der Träger dieser Entwicklung kann nur das klassenbewußte und als politische Partei organisierte Proletariat sein. Das Proletariat politisch zu organisieren, es mit dem Bewußtsein seiner Lage und seiner Aufgabe zu erfüllen, es geistig und physisch kampffähig zu machen und zu erhalten, ist daher das eigentliche Programm der sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Österreich, zu dessen Durchführung sie sich aller zweckdienlichen und dem natürlichen Rechtsbewußtsein des Volkes entsprechenden Mitteln bedienen wird. Übrigens wird und muß sich die Partei in ihrer Taktik auch jeweils nach den Verhältnissen, insbesondere nach dem Verhalten der Gegner zu richten haben. Es werden jedoch folgende allgemeine Grundsätze aufgestellt:

1. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei in Österreich ist eine internationale Partei, sie verurteilt die Vorrechte der Nationen ebenso wie die der Geburt, des Besitzes und der Abstammung und erklärt, daß der Kampf gegen die Ausbeutung international sein muß wie die Ausbeutung selbst.

2. Zur Verbreitung der sozialistischen Ideen wird sie alle Mitteln der Öffentlichen Presse, Vereine, Versammlungen, voll ausnützen und für die Beseitigung aller Fesseln der freien Meinungsäußerung (Ausnahmegesetze, Preß-, Vereins- und Versammlungsgesetze) eintreten.

3. Ohne sich über den Wert des Parlamentarismus, einer Form der modernen Klassenherrschaft, irgendwie zu täuschen, wird sie das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für alle Vertretungskörper mit Diätenbezug anstreben, als eines der wichtigsten Mittel der Agitation und Organisation.

4. Soll noch innerhalb des Rahmens der heutigen Wirtschaftsordnung das Sinken der Lebenshaltung der Arbeiterklasse, ihre wachsende Verelendung einigermaßen gehemmt werden, so muß eine lückenlose und ehrliche Arbeiterschutzgesetzgebung (weitestgehende Beschränkung der Arbeitszeit, Aufhebung der Kinderarbeit u.s.f.), deren Durchführung unter der Mitkontrolle der Arbeiterschaft, sowie die ungehinderte Organisation der Arbeiter in Fachvereinen, somit volle Koalitionsfreiheit angestrebt werden.

5. Im Interesse der Zukunft der Arbeiterklasse ist der obligatorische, unentgeltliche und konfessionslose Unterricht in den Volks- und Fortbildungsschulen sowie unentgeltliche Zugänglichkeit sämtlicher höheren Lehranstalten unbedingt erforderlich; die notwendige Vorbedingung dazu ist die Trennung der Kirche vom Staate und die Erklärung der Religion als Privatsache.

6. Die Ursache der beständigen Kriegsgefahr ist das stehende Heer, dessen stets wachsende Last das Volk seinen Kulturaufgaben entfremdet. Es ist daher für den Ersatz des stehenden Heeres durch die allgemeine Volksbewaffnung einzutreten.

7. Die sozialdemokratische Arbeiterpartei wird gegenüber allen wichtigen politischen und ökonomischen Fragen Stellung nehmen, das Klasseninteresse des Proletariats jederzeit vertreten und aller Verdunkelung und Verhüllung der Klassengegensätze sowie der Ausnützung der Arbeiter zu Gunsten von herrschenden Parteien energisch entgegenwirken.

8. Da die indirekten, auf die notwendigen Lebensbedürfnisse gelegten Steuern die Bevölkerung umso stärker belasten, je ärmer sie ist, da sie ein Mittel der Ausbeutung und der Täuschung des arbeitenden Volkes sind, verlangen wir die Beseitigung aller indirindirekten Steuern und Einführung einer einzigen, direkten, progressiven Einkommenssteuer.

Einigungs-Resolution

In Erwägung, daß der Zwist der Fraktionen die Interessen der Partei und somit der Arbeiterklasse schwer geschädigt hat, daß die Entwicklung der Partei jene wenigen Streitpunkte beseitigt hat, welche, durch die Ränke und den Druck der Feinde der Arbeiterklasse sowie durch verwerfliche Pflege des Personenkults in ihrer Wichtigkeit übertrieben, die Spaltung der Partei veranlaßt haben.

In Erwägung, daß die Einigung der Partei dem energisch geäußerten Willen der Genossen im ganzen Lande entspricht, beschließt der heutige Parteitag einstimmig in Anwesenheit von Mitgliedern beider ehemals bestandenen Fraktionen:

Der Parteitag erklärt den Parteizwist durch die Annahme des Programms für beendet und erwartet von jedem Parteigenossen ehrliches und brüderliches Eintreten für die Gesamtpartei sowie energische und unerschrockene Arbeit auf dem gemeinsamen Boden unseres Programms zum Besten des Emanzipationskampfes der Arbeiterklasse.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

130 Jahre SPÖ - Rendi-Wagner: „Brennen wir für die Zukunft!“

Die SPÖ ihr 130-jähriges Jubiläum in Hainfeld gefeiert, dem niederösterreichischen Ort, an dem zum Jahreswechsel 1888/89 die Partei gegründet wurde. SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat in ihrer Rede klargemacht: „Für uns kann es nur ein Ziel geben: Das Leben der Menschen in unserem Land leichter und besser zu machen!“ Wie damals brauche es auch heute eine „sozialdemokratische Politik im Hier und Jetzt, die die Herausforderungen ihrer Zeit erkennt und Antworten für die Zukunft liefert“ sowie den Begriff Gerechtigkeit zeitgemäß definiert. „Frei nach Gustav Mahler: ‚Tradition ist die Weitergabe des Feuers – nicht die Anbetung der Asche!‘ Oder wie ich es sagen würde: Brennen wir für die Zukunft!“, so die SPÖ-Parteivorsitzende. **** 

„Im Erwecken der Potentiale, in der Freiheit der Möglichkeiten jedes Einzelnen sehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Zukunft, das bessere Morgen. An dieser Grundhaltung hat sich in 130 Jahren nichts verändert“, betonte Rendi-Wagner. Die SPÖ kenne nur einen Antrieb: „Es ist jener Antrieb, den unsere Gründer so benannt haben: ‚Die sozialdemokratische Partei erstrebt für das ganze Volk‘.“ Dafür müsse die Sozialdemokratie zurück zum Mut finden, erklärte die SPÖ-Parteivorsitzende. „Zu jenem Mut, wo wir hart in der Sache diskutieren, aber dann auch gemeinsam für diese Sache eintreten. Denn eines ist gewiss: Wenn wir zaghaft sind, wenn wir mutlos sind und wenn wir uneins sind, dann sind es am Ende die Menschen Österreichs, für die die falsche Politik gemacht wird.“ 

https://rotbewegt.at/epoche/einst-jetzt/artikel/das-programm-von-hainfeld-1888-1889

http://www.dasrotewien.at/seite/hainfelder-parteitag

https://de.wikipedia.org/wiki/Hainfelder_Programm